13.12.2009 Atlanta

Mein Freund M. und ich waren im Martin Luther King Jr. Zentrum. Hier in Atlanta wurde der berühmte schwarze Bürgerrechtler geboren und hier predigte einige Jahre lang in der Kirche seines Vaters. Als wir wieder aus dem Museum kamen, ging vor uns ein Paar. Nach einer Weile drehte sich der Mann zu uns um und sprach uns an. „Wir haben gerade über Euch beide geredet“, sagte er. Er sagte, er sehe in uns beiden ein Symbol für das, wofür Martin Luther King gekämpft hat. Dass Schwarze und Weiße friedlich miteinander leben und Freunde sein können. Der Mann und seine Frau waren selbst auch Schwarze. Er blickte uns kaum an, während er sprach. Doch das, was er sagte, berührte mich sehr. Als Symbol hielten wir vielleicht nicht gerade gut her, da keiner von uns beiden Amerikaner ist. Doch das konnte er natürlich nicht wissen. Er sah in uns den lebendigen Beweis dafür, dass Martin Luther Kings Ideen gesiegt hatten. Er erzählte uns, dass er gerade auf dem College war, als King ermordet wurde. Er kannte die USA also noch, wie sie vorher waren. Als Weißer kann man sich nur schwer vorstellen, welche Gefühle dieser Ort wohl auslösen mag. „Free at last“ steht auf Kings Grabstein geschrieben, der in der Mitte eines Swimmingpools auf einer kleinen Insel thront.

Der Besuch macht mich sensibler für diese Stadt, in der zwei Drittel der Bewohner Afroamerikaner sind, und öffnet mein Herz ein bisschen mehr für die USA. Ich beginne zu begreifen, wie viel ihnen die Freiheit hier bedeutet. Es ist die Freiheit, ungebremst zu konsumieren, Ressourcen ungehemmt zu verschwenden und ein Leben im Luxus zu leben. Es ist die Freiheit der Unternehmer, ihre Mitarbeiter ohne Vorwarnung vor die Tür zu setzen. Es ist die Freiheit, ohne Halt und Wurzeln zu sein, grenzenlos mobil zu sein, all sein Hab und Gut in ein Auto zu packen und quer durch die Staaten an einen anderen Ort zu ziehen, nur weil es dort einen Job gibt. Es ist die Freiheit, reich zu werden oder bei dem Versuch dabei, zu sterben (Zitat 50 Cent). Aber es ist eben auch mehr als das. Es ist die Freiheit, in dieses Land zu kommen – egal woher – und sein Glück zu machen. Es ist auch die Freiheit, zu sagen, was man will. Auf der Straße, im Internet oder in der Presse. Journalisten genießen hier großen Ruhm, so scheint es mir. Sie werden als Stars gefeiert, als Garanten der Freiheit und als vierte Gewalt. Es ist die Freiheit, immer besser zu werden, als Individuum und als Land. Fehler einzugestehen und zu versuchen, sie wieder auszubügeln. Einen anderen Weg einzuschlagen. Nichts anderes meinte Obama mit seinem Wahlspruch „Yes we can“. Amerika ist ein Land der immer neuen Chancen, eines ansteckenden Optimismus und einer ungebremsten Lust auf die Zukunft. Und auf alle Errungenschaften und Erfolge ist man stolz, seien sie politisch oder kommerziell.

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