80 Tage

Als das Glück auf Weltreise ging, da blieb es 80 Tage weg.
Es hatte sich heimlich davon geschlichen, über Nacht.
Und als ich aufwachte, war es nicht mehr da.

Die Zeit verging gleichgültig.
Ich schob sie beiseite und lenkte mich ab.
Ein quengelndes Kind war es gewesen, an meinen Nerven hatte es gezehrt,
redete ich mir ein und fuhr damit gut.

Ich ordnete mein Leben neu, ich fuhr wieder Rad.
Ich kaufte Möbel und ging abends aus.
Ich brauchte es nicht mehr und dachte nie nach.
Denn denken strengte mich zu sehr an.

Ich schaute nachts nicht aus dem Fenster,
weil draußen nichts war, das zu sehen sich lohnte.
Es kam viel Schnee und er ging nicht mehr fort.
Und manchmal da war es, als fröre ich ein.

Dann kam der Tag, wo es anrief und zaghaft mich fragte,
ob ich noch Platz für es hätte.
Es wäre zurück und ich zuckte mit den Schultern.
Denn was anderes fiel mir nicht ein.

Dann stand es vor der Tür, die Koffer voller Dinge.
Allein sei es gewesen, die ganze Zeit, die Welt sei bunt,
sagte es mir.
Und fing an zu erzählen, aber ich blieb stumm.

Ich legte die Platten auf, die ihm gehörten,
das Glück breitete sich wieder aus.
In meinem Leben, in meiner Wohnung,
es wollte nun bleiben, versprach es mir.

Doch das Glück, es hatte sich verändert.
Es war älter geworden und ich traute ihm nicht.
Und je größer es wurde, desto mehr tat es weh,
dass es so lange weggewesen war – ohne mich.

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Bewegte Zeiten

U-Bahnhof Frankfurter Tor

Na, warste beim 1. Mai?

Provinzkind: Wie, beim 1. Mai? Ich dachte, dass ist ein Datum und kein Ort.

Na Mensch, hier 1. Mai, Berlin und so.

Provinzkind: Na dann war ich wohl eher bei und so.

Jetzt tu mal nicht so abgeklärt. Du warst doch eine von denen, über die die Taz schreibt: Dann steht man da und weiß nicht, worauf man wartet, man weiß nur, man ist in der Überzahl.

Provinzkind: Naja, stimmt, auf dieser Demo war ich. War ja auch gleich um die Ecke,  nicht wahr? Und gegen Nazis kann man schonmal demonstrieren, wenn man an einem Samstag nicht mehr länger schlafen kann.

Man, das ist aber auch wieder zäh heute mit Dir. Wo bleibt eigentlich Dein Kampfgeist?

Provinzkind: Ich sage Brot, statt Böller, ich sage Petting statt Pershing, ich sage wir sind das Volk.

Na danke, geht doch.

Provinzkind: Bitte.

Und was haben wir dieses Wochenende noch so gelernt?

Provinzkind: Dass mit steigendem Mochito-Pegel auch die Lebensqualität steigt. Sie können uns alles nehmen, aber bitte nicht den Mochito und den Sommerregen.

Jetzt wirst Du wieder pathetisch.

Provinzkind: Ja und ich liebe das Pathos. Mehr Mut zum Pathos, sage ich immer. Ach nee, das war Thees Uhlmann. Kann ich Dir mal eine Frage stellen?

Na sicher doch…

Provinzkind: Was würdest Du zu jemandem sagen, den Du plötzlich wiedersiehst, obwohl Du nicht erwartet hättest, ihn jemals wiederzusehen?

Ich würde sagen: „Ich dachte du wärst tot oder so.“

Provinzkind: Siehst Du, ich auch.

Ein echter Ice-Breaker.

Provinzkind: Wie er im Buche steht.

Gut, aber die nächste Woche wird wieder hart. Griechenland muss vor dem Untergang gerettet werden und tausende Seevögel vor der Ölpest an der US-Küste. Was wirst Du tun?

Provinzkind: Wenn ich wüsste wohin, würde ich einen Euro für Griechenland spenden. Aber ich weiß nicht, ob mein Freund Yorgos, ein gut gekleideter, hipper Athener Hochglanzmedien-Journalist und der einzige Grieche, den ich kenne, diese Spende annehmen würde. Und was die Ölpest angeht: da kann ich leider gar nichts tun. Das wird wahrscheinlich noch Ausmaße annehmen, die wir uns nicht vorstellen können. Ich könnte fordern, alle Ölplattformen zu schließen, weil das eine Energiequelle aus dem vorigen Jahrhundert ist, die irgendwann nochmal unser Ende sein wird. Aber ob das jemanden interessiert?

Vermutlich nicht.

Provinzkind: Siehste.

Und gibt es auch noch irgendwas, was Dich interessiert und nicht in den Zeitungen steht?

Provinzkind: Haha, Du hast Zeitung gesagt. Wie herrlich altmodisch Du bist…

Na gut, ich sehe, Du hast alles gesagt, was Du dazu sagen kannst.

Provinzkind: Forrest Gump!

Exakt, wir sehen uns. Machs gut!

Provinzkind: Tschüß.

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Die Banalität des Guten

Am Samstag, 24. April, fanden sich laut Medienangaben 120.000 Menschen zusammen, um mit einer Kette zwischen den AKW Brunsbüttel und Krümmel gegen die Verlängerung von Laufzeiten bei Atomkraftwerken zu protestieren. Hans Christian war einer von ihnen. Er stand zwischen feiernden Familien und agitierenden Sechsjährigen  am Elbdeich in der Nähe von Glückstadt – da wo die Elbe die Nordsee küsst! Hier erzählt er, wie er es erlebt hat.

Provinzkind: Wie muss man sich so eine Menschenkette denn vorstellen? Was macht man da den ganzen Tag?

Die Kette steht

HC: Das ist wie so ein Straßenfest. Die Leute gehen eben dahin, weil sie sich sonst langweilen würden. Die haben Kinder und überlegen sich: was machen wir heute? Und dann kommen sie auf die Idee, mal einen Tag am Meer und im Freien zu verbringen. Und wenn dann so eine Menschenkette stattfindet, ist das eine willkommene Abwechslung in einer Gegend, in der sonst eh nicht so viel passiert. Für Provinzler ist es also ein großes Event in ihrem sonst eher öden Alltag und für Großstädter eine Gelegenheit, mal raus ins Grüne zu fahren.

Provinzkind: Wie, ich dachte, die Leute seien dahin gegangen, um gegen Atomkraftwerke zu demonstrieren?

HC: Ich habe da keine Atomkraftwerke gesehen.

Provinzkind: Aber Du hast doch sicher Leute gesehen, die demonstrieren? Die Transparente halten oder irgendwas Politisches sagen?

HC: Vor allem habe ich lachende Gesichter gesehen. Und inhaltlich ging es vor allem darum, diese Kette durchzuhalten. Da wir aber in unserer Gesellschaft ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom haben, haben wir es nicht ausgehalten einfach nur dazustehen und eine halbe Stunde diese Kette durchzuhalten. Deshalb haben wir dann angefangen, La Ola Wellen zu machen.

Provinzkind: Das war also eine vollkommen unpolitische Veranstaltung?

HC: Ich würde nicht sagen, dass sie unpolitisch war. Immerhin war ja das Fernsehen da.

Provinzkind: Also ging es im Grunde nur darum, starke Bilder für die Medien zu produzieren?

HC: Überspitzt gesagt, ja. Aber das ist ja auch in Ordnung, oder?

Provinzkind: Naja, zumindest hat es funktioniert.

HC: In den Nachrichten waren nur Jürgen Trittin und Siegmar Gabriel zu sehen. Von den Organisatoren der Menschenkette habe ich niemanden in ein Mikro reden hören.

Provinzkind: Was hat diese Menschenkette der Anti-Atombewegung dann gebracht?

HC: Am Ende war das Ganze von Einzelinteressen geleitet. Rot-Grün hat es genutzt, um Wahlkampf für NRW zu machen. Und der Anti-Atombewegung hat es genutzt, wieder in der Öffentlichkeit zu stehen. Den Teilnehmern der früheren Anti-Atomgenerationen hat es das Gefühl gegeben, dass ihre Ziele auch in der jungen Generation weiter verfolgt werden und ihr Tun einen Sinn gehabt hat. In den letzten Jahren hatten die ja das Gefühl, dass sich niemand mehr für ihr Thema interessiert.

Provinzkind: Wie alt waren die Leute denn, die da standen?

HC: Es waren vor allem unter 30-Jährige und über 45-Jährige. Dazwischen klaffte eine Alterslücke.

Provinzkind: Und woran liegt das?

HC: Ich kann da nur wilde Theorien aufstellen. Die Anti-Atombewegung hatte in den 80ern ihren Höhepunkt. Danach ist das ganze abgeflaut und in den 90ern machte man sich über diese Leute eher lustig. Die heute 30 bis 40-Jährigen waren damals 20 bis 30. In dieser Zeit haben die den Anschluss an die Bewegung verloren.

Volksfeststimmung vorm Dixieklo (Copyright by Hans-Christian)

Provinzkind: Und wie kommt es, dass sich die Jungen wieder dafür interessieren?

HC: Es wird in einer liberalen Gesellschaft ja immer schwieriger, sich gemeinsam abzugrenzen und gegen etwas zu sein. Es gibt zwar viele Subkulturen, aber nichts, das den Bogen über die gesamte Generation spannen kann. Danach streben die Leute aber meiner Meinung nach. Sie wollen ein Gemeinschaftsgefühl.

Provinzkind: Aber wie sind sie auf der Suche nach so einem verbindenden Moment denn gerade auf die Atomkraft gekommen?

HC: Da muss ich passen, ich weiß es auch nicht.

Provinzkind: Aber gehörst Du dieser Generation denn nicht auch an?

HC: Naja, ich glaube, ich gehe da aus anderen Motiven mit als die meisten der anderen.

Provinzkind: Und welche wären das?

HC: Ich bin nicht unbedingt gegen Atomkraft, jedenfalls nicht aus Angst davor, dass das Ding explodieren könnte. Ich finde einfach, dass es eine Missachtung des Wählervotums ist, die Laufzeiten zu verlängern. Und außerdem denke ich, dass der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke den notwendigen Umbau der Energieversorgung zu erneuerbaren Energien erschwert.

Provinzkind: Und die anderen, meinst Du, gehen aus profaneren Gründen zur Menschenkette?

HC: Nein, ich glaube, denen geht es vor allem um ihre Gesundheit und um die Zukunft ihrer Kinder…jetzt ist mir noch was auf die Frage eingefallen, warum die Jungen da mitmachen…

Provinzkind: Ich höre?

HC: Meine Erklärung ist die Sinnsuche. Die jungen Menschen suchen nach etwas, um das zu Kämpfen sich lohnt. Und das Problem der 90er Jahre war, dass es so ein Thema damals nicht gab. Die Leute, die damals 20 waren dachten, dass sie alle an der Börse reich werden. Die haben dann irgendwann das Thema der neuen sozialen Frage für sich entdeckt – Stichwort Präkariat. Aber sehr fragmentiert, jeder für sich selbst. Und jetzt hat die junge Generation im Thema Atomkraft wieder ein sinnstiftendes, verbindendes Thema gefunden.

Provinzkind: Aber in den 90er Jahren gab es doch auch viele Dinge, gegen die es sich zu kämpfen gelohnt hätte. Im Osten gab es  massive Arbeitslosigkeit, Rechtsextremismus breitete sich aus, es gab Armut und Kriege auf der Welt…

HC: Aber in Deutschland kämpfte jeder für sich selbst. Da war zum einen die Lähmung der späten Kohljahre, dann die Probleme mit der Wiedervereinigung, dann hatten sich mit Rot-Grün plötzlich die 68er im Establishment eingenistet und dann kam die Goldgräberstimmung zu Beginn des neuen Jahrtausends. Da dachten ja auch viele, sie würden jetzt das große Geld am Neuen Markt machen, während andere in der Gesellschaft hinten überfielen. Es gab kein großes verbindendes Thema. Das gibt es erst jetzt wieder.

Provinzkind: Würdest Du sagen, die schwarz-gelbe Koalition hat uns wieder zusammen gebracht?

HC: Nein das würde ich nicht sagen. Im Moment ist ein großer Teil der Bevölkerung gegen diese Regierung, weil die es hingekriegt haben, in kürzester Zeit so unsymphatisch zu sein, dass wirklich jeder gegen sie ist. Sogar jeder CSU-Anhänger würde sich doch heute in der Kneipe blamieren, wenn er zugeben würde, dass er für diese Regierung ist. Aber ich denke, dass ist nur eine sehr flüchtige Stimmung.

Provinzkind: Zurück zur Menschenkette und zur Anti-Atombewegung. Es macht den Anschein, als würdest Du das ganze nicht so ernst nehmen und auch anderen absprechen, dass sie es ernst nehmen.

HC: Aber Protestbewegungen sind nunmal so banal. Viele fahren einfach dahin, weil sie jemanden kennen, den sie mögen und der das auch cool findet. Ich weiß ja nicht, ob das bei früheren Protestbewegungen wie den 68ern anders war, ich glaube sogar, dass die nur im Schein des Vergangenheit so strahlend aussehen. In Wahrheit ist das Gute doch total banal.

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Der Himmel über Berlin (ohne Flugzeuge)

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Warten

Großspurig hatte er es angekündigt, sein Kommen.
„Diesmal“ hatte er gesagt, „diesmal komme ich ganz bestimmt!“
Versprechen, immer wieder neue Versprechen.

Ich glaubte ihm, ich wollte ihm vertrauen,
so wie es Frauen Mädchen immer wieder tun.
Nur manchmal wagte ich zu denken:
Was wäre, wenn er niemals käme, der Frühling?

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Trennungsschmerz

Ich bin verstört. Seit ich Deinen Brief gelesen habe, nagt mein schlechtes Gewissen unaufhörlich an mir. Seit über acht Jahren gingen wir gemeinsame Wege, schriebst Du. Und das acht Jahre hattest Du extra gefettet, damit ich es auch ja nicht übersehe. Es hat sich eingbrannt in mein Gedächtnis. Ein fetter Vorwurf, schon im zweiten Satz. Wie machst Du das, dass Du mit wenigen Worten so viel in mir aufwühlst?

Ich hatte allen Grund, mich von Dir zu trennen, ich konnte einfach nicht mehr. Es lag nicht daran, dass Du mir nicht geben konntest, was ich wollte. Ich weiß, Du warst immer für mich da, wenn ich Dich brauchte. Ich brauchte Dich nicht oft aber wenn, dann konnte ich sicher sein, dass da immer dieses Netz war, in dem Du mich auffingst und mit dem Du mir ein wohliges Gefühl von Sicherheit gabst. Meine Sorglosigkeit in all dieser Zeit habe ich auch Dir zu verdanken. Aber Du musst doch einsehen, dass irgendwann mal Schluss sein muss. Du wolltest mehr und immer mehr. Und jetzt willst Du nochmal acht Euro mehr pro Monat. Ich bin kein Geizhals, weißt Du, aber es gibt Dinge, die gehen mir gegen den Strich. Ich weiß, dass das mit uns was Großes war. Aber irgendwann kommt im Leben eines Menschen der Moment, an dem er sich entscheiden muss. Und dieser Moment ist jetzt eben für mich da.

Deinen Abschiedsbrief werde ich aufheben. Du kannst Dir sicher sein, dass ich ihn nicht meinen Freundinnen zeigen werde, um mit ihnen darüber abzulästern. Er bleibt verborgen und sein vorwurfsvoller Ton wird mich immer daran erinnern, dass es letztlich doch die richtige Entscheidung war.

Lebe wohl, liebe Krankenkasse. Ich hoffe, Du wirst Deinen Weg auch ohne mich gehen.

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Wieder da

Meine Haut hat Löcher. Die Welt dringt von außen direkt in mich hinein. Ich dehne, ich ziehe, ich reiße ein wenig herum, versuche, das Kostüm wieder anzupassen, doch wann immer sich eine Lücke schließt, geht eine andere wieder auf. Stimmen dringen direkt vor bis an das empfindlichste Ende meiner Nerven, ihr Schall zerrt daran wie an den zu stramm gespannten Saiten einer Zither. Alles ist zuviel, jedes Auto, jeder Stein. Die Luft ist zu dick zum Atmen und der Himmel lastet schwer auf meinem Kopf. Ich will zurück kriechen, hinein in den wohligen Kokon der Stille, zurück in mich, als ich noch vollständig von mir selbst umgeben war. Doch da ist kein Platz mehr in dieser fehlerhaften Hülle. Ich bin von der Rolle, wie ein Bindfaden schief gewickelt, lieblos gehäkelt, nachlässig gestrickt. Dünnhäutig und löchrig laufe ich mich durch mich hindurch.

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Frohe Ostern

…wünscht das Provinzkind. Reingehauen!

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Guten Morgen Weltuntergang

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Sonntagslektüre

Das aktuelle Dummy-Magazin widmet sich einem Thema, dem man sich gar nicht genug widmen kann: Der Provinz.
Ein Heft auf das ich gewartet habe. Hoffentlich hält es, was es verspricht…

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