Into the wild

Die Hauptstadt ist nicht immer nur nett. Sie ist manchmal auch ein arrogantes kleines Ekel, das sich vor dir aufbaut und rumprotzt, was sie so alles zu bieten hat, dass dir allein vom Zuhören schon schwindelig wird. Und kaum schaust du mal ein bisschen genauer hin, dann schwups…hat sich das ganze angebliche Angebot plötzlich in einen Fliegenschiss verwandelt. Aufblasen, ja das kann sie gut. Und mit ihr die Menschen, die darin leben. Einige sind den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigt, als sich und ihre Umgebung akribisch darauf zu untersuchen, ob diese beiden Dinge, nämlich sie und ihre Umgebung, sich den eigenen Vorstellungen entsprechend verhalten oder diesen zuwiderhandeln. Meistens wird dann beobachtet, dass sich die Umgebung irgendwie so verhält, wie man es selbst nie tun würde, wobei man dann vergisst, dass man sich schon längst so verhält, was man aber nicht sehen kann, da man ja in sich selbst drinsteckt anstatt sich von außen zu sehen, so wie man es bei den anderen tut. Wenn das jetzt irgendwie verworren klingt, so liegt das daran, dass ich gestern zu lange aus war. Berlin hat eben so viel zu bieten.

Jedenfalls bekommt man nicht gerade energisches Kontra, wenn man immer mal wieder mit einem Seufzer bemerkt, dass man ja ganz offensichtlich in einer Stadt der Verrückten lebt oder zumindest in einer Stadt mit einem hohen Anteil an geschädigten Menschen. Aber mal ehrlich, so ganz normale Menschen gibt es doch eigentlich auch nur da, wo man herkommt. Das sind die Leute, die im gleichen Klima großgeworden sind, die auf die gleiche Frequenz getuned sind, die irgendwie dieselbe Sprache sprechen, so auf einer emotionalen Ebene, so ganz auf einer geerdeten Basis. „Ja aber normal. Normal ist doch langweilig“, widerspricht mir nun doch eine Freundin, die wie ich aus der Welt der normalen Menschen stammt, nämlich vom Stettiner Haff. „Nee“, antworte ich ihr und meine das in dem Moment auch ganz ehrlich so. „Normal finde ich wahnsinnig entspannend.“

Ein Freund, der sich vor kurzem in Nürnberg niedergelassen hat, bestätigt meine Befürchtung, dass es schon wieder soweit sein könnte, dass ich einfach mal raus muss. „Du musst mich besuchen kommen und dann gehen wir ins Kloster. Das wird dir gefallen“, sagt er am Telefon und ich bin spontan von dieser Idee eingenommen. In ein Kloster, ja das könnte kathartische Wirkung haben, mal drei Monate raus aus allem, aus Stress, Feiern und heillosen zwischenmenschlichen Geschichten. Leider hat dieses Kloster, von dem er spricht nicht wirklich etwas mit Meditation oder Selbstfindung zu tun. „Das Kloster war eine verrückte Kneipe, deren Eingang von einem Sarg geschmückt wurde, und ein Ort, den in Nürnberg niemand für möglich gehalten hätte“, spuckt Google aus. Der Satz stammt aus irgendeinem Roman, den irgendwer neulich mal geschrieben hat. Ich weiß nicht, ob Nürnberg und das Kloster wirklich die Orte sind, an denen man sich von Berlin erholen kann, aber ein Freund der einen mit Sätzen aufmuntert wie „Ulli, das Leben ist ein Krieg!“ ist auf jeden Fall ein guter Gesprächspartner.

Vielleicht sollte man auch mal einfach ganz aussteigen, so wie Alexander Supertramp gemacht hat. Aber heute Abend schaffe ich das bestimmt nicht mehr. Dafür bin ich einfach schon zu müde. Möglicherweise ja nächste Woche.

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