Stell dir vor es ist Wahl und…

Am 7. Juni sind Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern und es gibt einen Ort da geht tatsächlich niemand hin. Im Nordkurier las ich vergangene Woche die skurrile Meldung, dass in dem Dörfchen Rothemühl im Uecker-Randow-Kreis keine Wahl stattfinden kann. Der Grund: Es gab nicht genügend Bewerber für den Gemeinderat. Lediglich ein Interessent meldete sich für die sieben zu besetzenden Plätze. Und Bürgermeister will in dem Örtchen mit knapp über 300 Einwohnern überhaupt keiner werden.

img_1171Nur wenige Kilometer weiter allerdings, ist von derlei politischem Desinteresse nichts mehr zu spüren. In Löcknitz nahe der deutsch-polnischen Grenze haben sich etliche Kandidaten zur Wahl aufgestellt. Erstmals treten auch zwei polnische Kandidaten für die Gemeindevertretung an – Zeichen der Integration der rund 300 polnischen Neubürger von Löcknitz. Das beunruhigt die rechtsextreme NPD offenbar immens, weshalb sie mit gleich sieben Kandidaten zurückschießt.

Und auch einen Bürgermeisterkandidaten schicken die Rechtsextremen ins Feld gegen den Amtsinhaber Lothar Meistring (Die Linke). Auf die Fahnen haben sie sich die Rettung des deutschen Volkes geschrieben – was sonst. Denn mit Sorge beobachtet die NPD die „polenfreundliche“ Gesinnung des Bürgermeisters Meistring, der es den polnischen Einwanderern ihrer Meinung nach zu einfach macht, sich auf „deutschem Boden“ anzusiedeln.

Wie absurd ihre Argumentation ist, sollte man sich ruhig mal zu Gemüte führen, denn nirgendwo ist sie wohl so leicht zu entlarven, wie hier. In ihrem Propaganda-Blättchen „Uecker-Randow-Bote“, das im Landkreis ungefragt in die Briefkästen geworfen wird, beschreibt die NPD ihre Sicht der Dinge. Die Ansiedelung von polnischen Unternehmen in Löcknitz schade der einheimischen Wirtschaft, heißt es da. Denn die Polen hätten einen ungerechten Wettbewerbsvorteil dadurch, dass sie „überwiegend ihre eigenen Landsleute einstellen, die mit geringeren Löhnen zufrieden sind, da die Lebensunterhaltungskosten in Polen unter den deutschen liegen“. Und damit nicht genug: „Beziehungen ins Heimatland helfen dabei, günstigere Waren zu beziehen“, was dazu führe, dass „polnische Unternehmen wie Pilze aus dem Boden sprießen“ während „Deutsche ums Überleben kämpfen.“

Nun ja. Da musste der braune Schreiberling sicherlich geraume Zeit überlegen, bevor er in der Lage war, die Tatsachen so zu verdrehen. Denn wenn die Lebenshaltungskosten in Polen wirklich so niedrig sind, frage ich mich, warum die Menschen aus der Großstadt Szczecin nach Deutschland ziehen und dort Häuser kaufen oder sich dort einmieten. Der Grund liegt nämlich auf der Hand: die Mieten im strukturschwachen Uecker-Randow-Kreis sind um ein vielfaches niedriger als im grenznahen Szczecin. Und was Lebensmittel, Benzin und Zigaretten angeht, sind die Jahre des billigen Polenmarktes ja wohl auch endgültig vorbei.

Und selbst wenn es so wäre, dass die Lebenshaltungskosten in Polen so viel günstiger wären als in Deutschland, dann wären die Löcknitzer doch wohl die ersten, die davon profitieren könnten: Indem sie einfach ein paar Kilometer weiter fahren und dort tanken und einkaufen. Schließlich haben sie das jahrelang so gemacht. Ungleicher Wettbewerb sieht anders aus.

Nebenbei ist vielleicht noch zu erwähnen, dass die polnischen Unternehmen der Gemeinde zusätzliche Steuergelder bringen, dass polnische Familien auch Kinder bekommen und dem Trend der Überalterung und Abwanderung in der Gegend ein Schnippchen schlagen und so weiter und so fort. Löcknitz profitiert vom Zuzug der Polen. Bürgermeister Meistring hat es oft erklärt, seinen Einwohnern und in etlichen Medien, zum Beispiel hier. Und er hat immer gesagt, wenn die Einwohner anderer Meinung sind, sollen sie ihn abwählen.

Ich hoffe sehr, dass Meistring seine Bürger überzeugt hat und die NPD in Löcknitz nicht die Überhand gewinnt. Denn wenn das passiert, ist Polen zwar noch längst nicht verloren. Löcknitz aber schon.

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